Streckenvogel
Dokumentation stillgelegter Eisenbahnstrecken
von Dennis Köthur
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Der „Streckenvogel“ – Dokumentation stillgelegter Eisenbahnstrecken

Hier geht eine ganze Epoche unter — eigentlich für die Ewigkeit gebaut, und teilweise doch nur weniger als hundert Jahre genutzt: Die stillgelegten Trassen der Eisenbahn.

Selbst als gleisloser Torso ist oftmals die lange Planungszeit und durchdachte Linienführung zu erkennen, insbesondere in der bergigen Region. Zum mühsamen Entscheidungsprozess der Trassenführung des einst über 60 Tausend Kilometer zählenden Eisenbahnnetzes, kam meistens der Streit mit den Anliegergemeinden auf, welcher Ort denn nun zum Beispiel einen Bahnhof bekommt – ja sogar wie dieser zu benennen ist. Auch der verhinderte Grunderwerb stand oftmals einer optimalen Trassenlinie entgegen, das dadurch zusätzliche Bögen oder Umwege entstanden. Dabei war seinerzeit – also in der Zeitdekade von etwa 1835 bis 1910 - eher der Güterverkehr im Vordergrund, nicht wie heutzutage der Schienenpersonennahverkehr, weshalb etliche Bahnhöfe außerhalb der damaligen Wohnbebauung entstanden. Zudem gab es oftmals noch militärische Aspekte bei der Errichtung, somit sollten möglichst nur eine geringe Steigung anliegen, was eigentlich nur durch kunstvolle Umwege erzielt wurde, denn lange Eisenbahntunnel waren bis vor etwa hundert Jahren nicht möglich.

Der nun bis in die 2020er Jahre vollzogene Rückbau vieler mühevoll errichteter Eisenbahnstrecken, erzeugt eine – insbesondere durch die Geländelänge – besondere Konversionsfläche, welche nun unterschiedlich neu genutzt wird oder gar mit samt der ganzen Infrastruktur sich selbst überlassen wird. Meist beginnt es bei den Anliegern vom Bahndamm, die gerne direkt nach der Betriebseinstellung die Fläche hinter ihrem Gartenzaun für sich vereinnahmen. So werden etwa diverse Holzvorräte oder aller Art von Gerümpel bis zur Zugmaschine auf die Fläche gestellt, auch wenn noch die Gleisanlage vorhanden ist.

Das gleiche erfolgt bei anliegenden Betriebsgrundstücken, obwohl diese oftmals einst selbst Frachtkunden waren. Sodann sind hier meist die ersten Firmenerweiterungen auf der Trasse errichtet und Fakten zur Entwidmung geschaffen. Zahlreiche Reaktivierungen der vorallem seit den 1960er Jahre ausgesprochenen Stillegungen sind damit obsolet, denn nun müsste eine neue Trassenführung her. Bis in die heute Zeit sind es auch die Gemeindeverwaltungen, welche vorab mit Eifer die Bahnübergänge – oder gar ganze Brückenbauwerke - ohne abschließende Genehmigung zurückgebaut haben, damit insbesondere der LKW-Verkehr besser fahren kann.

Kurzum, bei einer Wanderung bietet das historische Gelände einstiger Bahntrassen immer wieder Anlass für spannende Erkundungen, auf „alten Wegen“, welche früher die Landschaft nicht einfach gerade durchschnitten haben, sondern unter weitestgehender Beibehaltung der Topographie angelegt wurden. Diese Behutsamkeit beim Bau stellt dem „Eisenbahnarchäologen“ heutzutage einer Herausforderung dar, den ehemaligen Streckenverlauf nach dessen Planierung überhaupt noch nachzuvollziehen – vor allem wenn die Gleisanlage schon vor vielen Jahren abgebaut wurde und es keine Folgenutzung als Rad- und/oder Wanderweg gibt. Als richtiges Abenteuer kann es heutzutage mit der Bilddokumentation im freien Feld gelten. Denn trotz der gesetzlichen Panoramafreiheit, die das Fotografieren in der Öffentlichkeit ausdrücklich zulässt, wird das „wilde“ Durchlaufen diverser Flächen als extrem auffällig wahrgenommen und oftmals eine Rechtfertigung gefordert.

Eine besondere Zwischennutzung einstiger Schienenstränge ist dabei die einer Draisinen-Bahn. Dabei wird gegen Entgelt für touristische Zwecke eine Draisine verliehen, die – meistens per Muskelkraft als Tretpedale, wie ein Fahrrad – dann auf einem Teilstück als Schienenfahrzeug fährt. In Deutschland wurde 1996 als erstes in Brandenburg, auf der stillgelegten Bahnstrecke von Templin nach Fürstenberg, eine Draisinenstrecke für den Tourismus eröffnet.

Die Draisine war zu Beginn des Eisenbahnzeitalters eine Ergänzung im Bahnverkehr, für den flexiblen Transport von (Bau-)Arbeitern und zur Streckenwartung. Im Skandinavischen Raum gab es noch ein erweitertes Nutzungsfeld, etwa für den teilweise einzigen Weg vom (Dienst-)Wohnhaus zum Bahnhof und/oder Schrankenanlage. Dies führte schon Anfang der 1980er Jahre zur touristischen Nutzung der dressin / Draisine in Schweden, wozu sich die ungenutzten Gleise mit der geringen Steigung anboten. Die dreirädrige, sogenannte „Schwedendraisine“ hat zudem die Besonderheit, optimal auf den Gleisen zu rollen, jedoch erlaubt diese  - aufgrund der doppelten Spurkränze - dagegen keine Durchfahrt im Weichenbereich. In solchen Fällen wird einfach das „Bahndienstfahrzeug“ über die Weiche gehoben, da im schwedischen Hinterland selbst in Bahnhöfen sowieso kaum Weichen verbaut sind und die Haltepunkte wesentlich weiter auseinander liegen.
Insbesondere das Nachbarland Frankreich verfügt, wie die meisten europäischen Länder, über viele stillgelegte Eisenbahnstrecken, darüber hinaus auch über 40 vélos-rails / Draisinenstrecken. Im Unterschied zu den rund 30 betriebenen Draisinenstrecken in Deutschland, sind diese aber gemeinschaftlich in einem Verband (FÉDÉRATION DES VÉLOS-RAILS DE FRANCE) organisiert.

Der hier öfters auf der Seite genannte Hamburger Verein „Interessengemeinschaft Draisinenfahrten (IGD)“ hat sich zwar auch das Ziel eines Draisinenverbands gesetzt, kann aber aufgrund verschiedener Ausrichtungen der Anlagen kein Verband darstellen. Die im September 2006 gegründete Gemeinschaft unterhält eigene Draisinen, insbesondere das zerlegbare Pocket-Railbike, um auf diversen stillgelegten Bahntrassen zu fahren. Eine jährliche Vereinsfahrt erfolgt mit einem Transporter zu verschiedenen Draisinenstrecken in ganz Europa, vorzugsweise nach Frankreich, Polen und Skandinavien. Für diese Studienreisen eignet sich das im Jahr 2006 vom Hamburger Wolfgang Tauchert konstruierte Pocket Railbike hervorragend als Reisedraisine, da es mit dem optimalen Nettogewicht von etwa 50 kg und seiner Dreigang-Nabenschaltung problemlos Steigungen erklimmt. Die Draisine ist schnell in rund 20 Einzelteile zerlegt und wartungsarm. Darüber hinaus sind die soliden Polyamidräder geräuscharm und die bequeme Sitzposition, lässt ausgedehnte Fahrten zu.

Bei den nun gezeigten Galerien etwaiger Gleiswanderungen oder Draisinenfahrten, sind jeweils zur Eisenbahnstrecke ein kurze Erläuterung über die Bahnstrecke enthalten. Hieraus hat sich ab dem Jahr 2010 auch der jährliche STRECKENVOGEL Kalender ergeben, welcher aktuelle Schienenarchäologie - Aufnahmen zur jeweiligen Jahreszeit enthält. Als weitere Ergänzung wird seit dem Jahr 2017 ebenfalls in limitierter Auflage, ein Draisinenkalender gedruckt, mit aktuellen Motiven diverser Draisinenstrecken in Europa.
Für den überwiegende Teil der Anreise wird selbstredend das noch über 30.000 km umfassenden Eisenbahnnetz genutzt, was sich mit dem Hobby „Bahnfahren“ gut verbinden lässt. Daher auch der Hinweis zur IBSE (Interessengemeinschaft zur Bereisung von Straßenbahn- und Eisenbahnstrecken e.V.), welche auf zahlreichen Sonderfahrten viele Bahnstrecken bereist, welche sonst nur dem Güterverkehr vorbehalten sind.

Bildergalerien Draisinenstrecken

Deutschland / Österreich



Frankreich / Spanien / Belgien



Skandinavien



Polen / Tschechien




Bildergalerien stillgelegte Bahnstrecken

Deutschland ex Bereich DR



Deutschland ex Bereich Bundesbahn (nördlich)



Deutschland ex Bereich Bundesbahn (südlich)




Bildergalerien Museumsbahnen oder geplante Reaktivierung



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